Zwischen bewaldeten Endmoränenhöhenzügen und um Ufer des gemächlich dahin fließenden und sich in großen Seen ausbreitenden Flusses Havel liegt eines der größten Freiland-Architekturmuseen der Welt: Potsdam. Kaum eine Stilrichtung europäischer Architektur ab dem 17. Jahrhundert, die hier nicht vertreten. Und wie zahlreich die Bauten, deren Originale in verschiedenen Ländern Europas und außerhalb unseres Kontinents zu finden sind.

NIEDERLANDE
Die engen dynastischen Beziehungen zwischen den Herrschaftshäusern der Hohenzollern und der Oranier hatten zur Folge, dass der für Holland typische Baustil auch in Potsdam heimisch wurde. Das Jagdschloss Stern ließ Friedrich Wilhelm I. gewissermaßen als Pilotprojekt für den ab 1733 erfolgenden Bau eines kompletten Stadtquartiers in holländischer Backsteinbauweise errichten. Das mit seinen roten Fassaden, kleinen Fenstern und teilweise mit Portaldekorationen geschmückten Eingängen lockende Holländische Viertel ist heute (und das erst seit ca. 1997) ein Magnet für die Einwohner Potsdams und die Besucher der Stadt.

ITALIEN, FRANKREICH
Friedrich II., König Preußens von 1740 bis 1786, beeinflusste Kraft seiner Persönlichkeit und auf Grund seiner künstlerischen und politischen Vorstellungen die Architekturentwicklung in seiner Residenzstadt Potsdam in entscheidender Weise.
Potsdamer Bürgerhäuser ließ der König mit Fassaden nach ausländischen Vorbildern errichten. Als Vorlagen dienten ihm u.a. Stiche von Palladio und Piranesi.
Der vom römischen Pantheon abgeleitete Rundbau findet sich wieder in der Kuppel über dem Marmorsaal von Schloss Sanssouci oder in ausgeprägter Gestalt als 1752/53 errichtete Französische Kirche am Bassinplatz. Das Brandenburger Tor, Potsdams Stadttor Richtung Westen, hat sein Vorbild in einem antiken Triumphbogen.

ENGLAND
Das Aussehen des Nauener Tores geht auf den im 18. Jahrhundert von Großbritannien auf den Kontinent übergreifenden Stil der Neogotik zurück. Das Londoner Schloss Whitehall erkennt der nach Potsdam kommende Brite schnell als Fassadenvorlage für die Hiller-Brandtschen Häuser in der Breiten Straße. Howard Castle in der Nähe des englischen Kleinods York stand Pate für die Gestaltung der Gartenansicht des Neuen Palais. Die Pagode von Kew Garden in London beeinflusste gestalterisch den Bau des Drachenhauses am Klausberg.
Im englischen Cottage-Stil errichtet wurden am Anfang des 20. Jahrhunderts die Kriegsschule auf dem Brauhausberg (heute: Sitz des Landtages vorn Brandenburg) sowie das Schloss Cecilienhof im Neuen Garten.

CHINA
Chinesische (oder japanische?) Atmosphäre sollte das Chinesische Haus im Park Sanssouci verbreiten.

ÄGYPTEN
Friedrich Wilhelm II., Nachfolger von Friedrich II., und romantisch veranlagt, hielt es mit ägyptischer Architektur. Sein Onkel hatte mit dem Obelisk am Haupteingang zum Park Sanssouci und mit den Säulen des Neustädter Tores in der Breiten Straße die ersten ägytischen Bauwerke in Potsdam errichten lassen. Friedrich Wilhelm II., einem Trend seiner Zeit folgend, ließ im Neuen Garten eine Pyramide bauen, die künstlerische Hülle eines Eiskellers. Die mit einer Sphinx und ägyptischen Königsstatuen ausgestattete Schaufassade der 1791 bis 1793 von Carl Gottfried Langhans entworfenen Orangerie stellt den Höhepunkt dieses Architekturtrends dar.

RUSSLAND
Friedrich Wilhelm III. (König von 1797 bis 1840) verdanken wir einen geschlossenen Komplex russischer Fachwerkarchitektur des beginnenden 19. Jahrhunderts – die Russische Kolonie “Alexandrowka” im Norden Potsdams – unweit des Neuen Gartens. Nach dem 1825 verstorbenen Zaren Alexander benannt, wurde die Siedlung 1826 angelegt. Bewohner der Häuser waren die letzten zwölf russischen Sänger eines ehemals aus 62 Soldaten bestehenden Chores. Die Soldaten waren während des napoleonischen Rußlandfeldzuges gefangen genommen und im Ergebnis des späteren preußisch-russischen Militärbündnisses bei der preußischen Armee belassen worden. Überragt wird die Russische Kolonie vom Zwiebelturm der auf dem Kapellenberg stehen Russsich-Orthodoxen Kirche “Alexander Newski”.

BÖHMEN
Ihre Heimat in Böhmen hatten die Weber und Spinner, die sich ab 1750 in Potsdam ansiedelten und die Kolonie Nowawes entstehen ließen. Heute gehört das aus einstöckigen Häusern bestehende Quartier zum Potsdamer Stadtteil Babelsberg.

SCHWEIZ, BAYERN, NORWEGEN und noch viel mehr
Eine Siedlung aus Häusern im Schweizer Stil ist im unterhalb des Babelsberger Parks romantisch liegenden Klein Glienicke zu sehen. Das “Bayerische Haus” in der Pirschheide vor den Toren Hotels beherbergt heute ein Hotel. Die aus norwegischen Blockhäusern in der Regierungszeit von Kaiser Wilhelm II. (1888 bis 1918) am Ufer des Jungfernsees erbaute Matrosenstation Kongsnaes soll wieder ihr Hauptgebäude am Wasser erhalten. Die heute noch bewohnten Holzhäuser überdauerten auch die Zeit des Mauerbaus.

Das “Architekturmuseum Potsdam” ist eine museale Einrichtung, deren Gestaltung nie zum Abschluss gelangt. Bis in die heutige Zeit wurden und werden Bauten hinzugefügt, die von der Meisterschaft von Architekten aus anderen Ländern Europas und von außerhalb des Kontinents zeugen.
International besonders vielfältig zusammen gesetzt war das Team, das das Wohngebiet “Kirchsteigfeld” entwickelte. Österreicher arbeiteten mit Deutschen, Italienern und Amerikanern zusammen.
Im Büro des in Venedig beheimateten Architekten Augusto Romano Burelli entstanden die Entwürfe für die Seniorenresidenz in der Burgstraße sowie für verschiedene Stadtvillen.
Der franzöische Architekt Rudy Ricciotti zeichnete gestalterisch für den größten innerstädtischen Konzertsaal Potsdams, den Nikolaisaal, verantwortlich.

Von admin

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