Vom 15. Juli bis 2. August 1945 hielten sich die Staatsoberhäupter von Großbritannien, der Sowjetunion und den Vereinigten Staaten von Amerika (USA) mit den sie begleitenden Personen in Neubabelsberg auf. Churchill, Stalin und Truman hatten ein repräsentatives Gebäude als Residenz erhalten. Darin wohnten, arbeiteten, aßen sie und erholten sich von den Beratungen der Potsdamer Konferenz.

Der Erholung waren vor allem die Abende vorbehalten. Beim Essen unterhielten sich die Staatsoberhäupter mit ausgewählten Gästen oder sie luden sich gegenseitig ein. Dabei wollte jedes von ihnen ein besonders guter Gastgeber sein. Das bezog sich auf das aufgefahrene Essen, auf die exzellenten Getränke, aber vor allem auf das während des Essens und danach gebotene Programm.

Harry S. Truman, seit dem 12. April 1945 Präsident der USA und in dieser Eigenschaft neu auf den während des Krieges zwischen den Gr0ßen Drei abgehaltenen Konferenzen, wohnte in der Kaiserstr. 2 (heute: Karl-Marx-Str. 2). Er hatte sich die Zimmer in der ersten Etage als Domizil gewählt. Außenminister James F. Byrnes wohnte im Hochparterre. Im Souterrain befand sich das Kommunikationszentrum für den Präsidenten mit Telefonvermittlung und anderen technischen Geräten. Weiterhin gab es im Haus den Map Room, als Dependance des eigentlichen Map Rooms im Weißen Haus in Washington. Das ging alles mit ein in die Bezeichnung des Neubabelsberger Domizils von Truman als „Little White House„.

Abendessen und musikalische Umrahmung

15. Juli 1945

Seit 17 Uhr hielt sich Truman in seiner Residenz in Neubabelsberg auf. Um 18 Uhr servierten die mit gekommenen philippinischen Ordonannzen das Abendessen. Truman speiste mit Mr. Cohen, Mr. Matthews und Mr. Bohlen als seine Gäste.

16. Juli 1945

Um 20 Uhr hatte Truman an diesem Tag ein Abendessen, bei dem ihm die Botschafter Harriman und Pauley sowie Mr. Davies Gesellschaft leisteten. Eine Band der Second Armored Division sorgte während des Abendessens und danach im Garten des Hauses für musikalische Unterhaltung.

17. Juli 1945

19.45 Uhr war an diesem Tag die Zeit für das Abendessen im „Little White House“. Secretary Stimson, General Marshall, Admiral King und General Arnold waren diesmal die Gäste des Präsidenten. Die Musik spielte diesmal ein „excellent stringed orchestra with Sergeant Eugene List, noted American pianist, at the piano„.

18. Juli 1945

19.30 war Beginn des Abendessens. Assistant Secretary Clayton und Assistant Secretary Dunn und Mr. Donald Russell durften Truman Gesellschaft leisten. Die Army Band vom U.S. Headquarter Berlin District spielte die Musik. Unter der Leitung von Warrant Officer Frank Joseph Rosato.

When the concert had ended, the President sent Bandmaster Rosato and his personal compliments for a fine performance and asked them to come back and play for him again.

Frank Rosato und Truman (r.) nach dem Auftritt der Band im Garten von Trumans Residenz.

19. Juli 1945

Für diesen Tag hatte Harry S. Truman zum Abendessen in seine Residenz eingeladen. Die Ehrengäste waren Stalin und Churchill. Weiterhin zugegen waren Mr. Byrnes, Mr. Attlee, Mr. Molotow, Admiral Leahy, Mr. Wyshinski, Sir Alexander Cadogan, Mr. Harriman, Mr. Gromyko, Lord Cherwell, Mr. Pauley, Mr. Davies, Mr. Sobolew, Mr. Bohlen, Mr. Pawlow und Major Birse.

The menu consisted of pate de foie gras, caviar on toast, vodka, cream of tomato soup, celery, olives, perch saute meuniers, chilled potatoes, peas, carrots, Bourdeaux wine (Mouton d`Armailhacq), lettce and tomato salad, French dressing, Roca cheese, vanilla ice cream, chocolate sauce, champagne (Pommery 1934), demi-tasse, cigars, cigarettes, port wine, cognac, and vodka.
The celery, lettuce, tomatoes and ice cream were flon in to Babelsberg from the AUGUSTA at Antwerp.

Das Menü bestand aus Gänseleberpastete, Kaviar auf Toast, Wodka, Tomatencremesuppe, Sellerie, Oliven, Barsch Saute-Meuniers, Kartoffelsalat, Erbsen, Karotten, Bourdeauxwein (Mouton d`Armailhacq), Tomatensalat, French dressing, Roca-Käse, Vanilleeis mit Schokoladensauce, Champagner (Pommery 1934), Demi-Tasse, Zigarren, Zigaretten, Portwein, Cognac und Wodka.
Sellerie, Salat, Tomaten und Eis wurden von der AUGUSTA in Antwerpen nach Babelsberg gebracht.

Das Wort Demi-Tasse verwies darauf, dass Mokka bzw. Espresso serviert wurde. Der Pommery 1934 gehörte zu den auserlesenen und deshalb nicht gerade preiswerten Champagnern. Ob es sich bei dem perch saute meuniers um Barsch oder Forelle handelte, ist nicht ganz klar. Jedenfalls wurde er nach Müllerinart zubereitet. Der Roca cheese könnte Roquefort-Käse gewesen sein. Das French Dressing kommt nicht aus Frankreich, sondern aus Amerika! Dort war und ist die Salatsoße aus Essig, Öl, Mayonnaise, Ketchup, Senf und Gewürzen sehr beliebt.

Die Musik spielte ein besonderes Konzertorchester mit Sergeant Eugene List als Pianisten. List spielte eigens für Stalin ein Musikstück von Tschaikowsky: Chopin`s A Flat Polonaise. Später überraschte er Truman mit dem Missouri Waltz in einem eigenen Arrangement.

The Tschaikowsky number delighted the Generalissimo who arose from the dinner table, walked over to Sergeant List, shook his hand, drank a toast to him and asked him to play more. The Prime Minister also complimented Sergeant List on his playing. President Truman had a hand in the musical program too when he played Beethoven`sMinuet in G on the piano.

In seinen Memoiren beschreibt Truman diesen Abend wie folgt:

Am Abend dieses dritten Sitzungstages gab ich im Kleinen Weißen Haus ein Staatsbankett. Außer Churchill und Stalin hatte ich Byrnes, Attlee, Molotow, Leahy, Wysdiinskij, Cadogan, Harriman, Gromyko, Lord Cherwell, Pauley, Davies, Sobolew, Bohlen, Pawlow und Birse geladen. Ein Konzertorchester sorgte für die Musik. Sergeant Eugene List spielte Chopins a-moll-Walzer, Opus 42, und mehrere seiner Nocturnes. Stalin, ein großer Chopin-Bewunderer, war von Lists Spiel so begeistert, daß er aufstand, ihm die Hand gab, ihm zutrank und ihn zu weiterem Spielen aufforderte. Obwohl sich Churchill nicht viel aus dieser Art von Musik machte, beglückwünschte er List gleichfalls. Da ich wußte, daß Stalin ein großer Chopin-Freund war, hatte ich List sagen lassen, er solle eine Woche lang Chopin üben, und er machte seine Sache ausgezeichnet, obschon das Klavier nicht gerade ein hervorragendes Konzertinstrument war. Als ich aufgefordert wurde, etwas vorzutragen, wählte ich Paderewskis Menuett in C-dur, eines meiner Lieblingsstücke. (Bd. 1, S. 357 f.)

Über die Bedeutung dieser Art von Treffen hielt Truman fest:

Es war das die erste einer Reihe von inoffiziellen Zusammenkünften der drei Regierungschefs, die sich in Berlin zusammengefunden hatten, um Probleme zu lösen, die nur durch viel guten Willen und Zusammenarbeit zu lösen waren, und diese gesellschaftlichen Treffen trugen dazu bei, eine freundschaftliche Atmosphäre zu schaffen. ( Bd. 1, S. 358)

2022 erschien das Buch des amerikanischen Autors Jeffrey Frank „The Trials of Harry S. Truman: The Extraordinary Presidency of An Ordinary Man, 1945-1953„, in dem er sich mit dem Wirken von Harry S. Truman in diesen Jahren befasst.

Über das Abendessen vom 19. April 1945 schreibt er:

Jeder Staatschef war abwechselnd Gastgeber eines Abendessens. Truman machte am 19. Juli den Anfang und servierte im Little White House in der Kaiserstraße 2 ein Essen, das den Reichtum des Nachkriegsamerikas widerspiegelte. Auf der Speisekarte standen Gänseleberpastete, Kaviar, sautierter Barsch nach Müllerinart, Filet Mignon, Eiscreme und Schokoladensauce, dazu Wodka, verschiedene Weine und Spirituosen sowie frisches Gemüse, das von der noch in Antwerpen ankernden „Augusta“ eingeflogen wurde.
Es wurden Toats auf den König von England, die drei Saatschefs und sogar auf die Außenminister ausgebracht. „Stalin“, schrieb Truman nach Haus, „empfand so viel Freundschaft, dass er auf den Pianisten anstieß, als dieser eigens für ihn ein Stück von Tschaikowsky) spielte. Der alte Mann mag Musik. Er versprach mir, morgen den größten russischen Pianisten mitzubringen.
Unser Junge war gut. Er heißt List und spielte Chopin, von Weber, Schubert und andere.

20. Juli 1945, Freitag

20 Uhr Beginn des Abendessens an diesem Tag. Gäste des Präsidenten waren Assistant Secretary McCloy, Admiral Land und General Clay. Sergeant List und Pfc Stuart Canin (concert violinist) spielten während des Essens.

21. Juli 1945, Sonnabend

An diesem Tag war Truman von Stalin zum Abendessen in seine Residenz eingeladen. Um 20.15 Uhr brach er mit seinem Gefolge dorthin auf. 23.30 Uhr waren sie wieder in seiner Residenz zurück.

Im Nachgang schreibt Truman über den Abend:

Am gleichen Abend veranstaltete Stalin ein Staatsbankett. Es war eine feudale Angelegenheit, die ich zwei Tage später, wenigstens teilweise, in einem Brief an Mama und Mary beschrieb:

Berlin, 23. Juli 1945
Liebe Mama und Mary,
Euer Brief vom 16. kam gestern und die vom 17. und 19. heute früh. Ich freue mich sehr, von Euch zu hören. Ich nehme an, der
Rundfunk hält Euch über mein Tun auf dem laufenden.Seit dem 17. haben wir täglich eine Sitzung abgehalten. Viele Beschlüsse
sind unter Dach, aber vieles, das längst geregelt sein sollte, ist noch unerledigt. Doch haben wir ja noch Zeit vor uns, um für die
meisten Punkte irgendeine Art von Vorbeschluß für die Friedenskonferenz zu finden.
Stalin gab vorgestern abend ein Staatsbankett — das war eine Sache, sage ich Euch. Kaviar und Wodka machten den Anfang, und Wassermelonen und Champagner bildeten den Abschluß; es gab frische und geräucherte Fische, Wildbret, Huhn, Ente und alle möglichen Gemüse dazwischen. Alle fünf Minuten ein Toast, insgesamt mindestens fünfundzwanzig. Ich habe sehr wenig gegessen und noch weniger getrunken; aber es war eine farbenprächtige und erfreuliche Angelegenheit.
Ich glaube, ich habe Euch schon gesagt, daß bei meinem Diner für Stalin und Churchill ein junger Sergeant namens List aus Philadelphia Klavier und ein Soldat vom Metropolitanorchester Geige gespielt haben. Sie waren sehr gut, die besten, die wir haben. Stalin ließ aus Moskau seine zwei besten Pianisten und zwei Geigerinnen kommen. Sie waren ausgezeichnet und spielten Chopin, Liszt, Tschaikowskij und andere Komponisten. Ich sprach Stalin und ihnen meinen Glückwunsch aus . Es war ein schönes Diner…
Ich saß neben Stalin, der ein winziges Glas benutzte, in das nicht mehr als ein Fingerhut voll hineinging. Das leerte er häufig und goß sich aus einer vor ihm stehenden Flasche nach. Ich nahm an, daß es Wodka war — weil wir alle Wodka erhielten und begann mich zu wundern, daß er solche Mengen dieses starken Getränks zu sich nehmen konnte. Schließlich fragte ich ihn, da sah er mich an und schmunzelte. Dann beugte er sich zu seinem Dolmetscher und sagte: »Sagen Sie dem Präsidenten, daß es französischer Wein ist, denn seit dem Herzanfall kann ich nicht mehr so viel trinken wie früher.« (Bd. 1, S. 369 f.)

22. Juli 1945, Sonntag

Zum Abendessen ab 20.30 Uhr hatte Truman als Gast den Neffen von Captain McMahon, Private John R. Thomas.
Die musikalische Unterhaltung während des Essens und danach bestritt die im Garten spielende Band des US-Army Hauptquartiers District Berlin.

23. Juli 1945, Montag

Um acht Uhr abends begab ich mich mit Byrnes und Leahy zu Fuß zu Churchill, wo wir zu einem für Marschall Stalin und mich gegebenen Staatsbankett geladen waren. (Bd. 1, S. 382)

In Wirklichkeit war es um 20.20 Uhr, dass sich Truman mit seiner Begleitung auf den Weg zum Abendempfang bei Churchill machte. Anwesend waren bei dem Empfang neben Truman und seinem Außenminister Byrnes, Admiral Leahy, General Marshall, Admiral King, General Arnold, Mr. Bohlen, Generalissimo Stalin, Außenminister Molotow, Armeegeneral A. I. Antonow, Marschall der Sowjetunion G. K. Shukow, Marschall der Luftstreitkräfte F. Ya. Fodalew, Flottenadmiral Kusnezow, Premierminister Churchill, Vizepremierminister C. R. Attlee, Außenminister Eden, Feldmarschall Sir Harold Alexander, Flottenadmiral Sir Andrew Cunningham, Feldmarschall Sir Henry Maitland Wilson, Sir Edward Bridges, Feldmarschall Sir Bernard Montgomery, Marschall der Royal Air Force Sir Charles Portal, Feldmarschall Sir Alan Brooke, Commander C. R. Thompson und Major A. Birse.

Die Musik spielte ein Streichorchester der Royal Air Force.

Das Menü bestand aus: Cold clear soup, hot turtle soup, fried sole, roast chicken, boiled new potatoes, peas, cold ham, lettuce salad, fruit salad, ice cream und Scotch woodcock.

Truman, Byrnes und Admiral Leahy waren um 23.30 Uhr zurück im Little White House.

24. Juli 1945, Dienstag

25. Juli 1945, Mittwoch

Die Botschafter Murphy und Caffery sowie General Somervel leisteten dem Präsidenten bei dem um 20 Uhr beginnenden Abendessen Gesellschaft.
Die Musik kam von einer eight-piece band der 278. Army Ground Force band unter der Leitung von Sergeant Joe Borrelli. Vocal selections were rendered by Pfc Jules Navarra.

26. Juli 1945, Donnerstag

An dem Abendessen im Kleinen Weißen Haus nahmen an jenem Abend der Sohn meines Pressesekretärs, Hauptmann John B. Ross, und ein alter Freund von mir, Major Alfred K. Lee, der Sohn des ehemaligen Abgeordneten Frank Lee, teil. Hauptmann Ross blieb mehrere Tage bei seinem Vater in Neubabelsberg zu Besuch. Später empfing ich unter anderen General Marshall und Botschafter Harriman. (Bd. 1, S. 397)

Das Abendessen wird gegen 19.30 Uhr begonnen haben. Die Erinnerungen Trumans hinsichtlich seiner Gäste waren korrekt.

27. Juli 1945, Freitag

Am frühen Abend suchte mich Davies auf und später Richter Rosenman, der eben aus Washington eingetroffen war. Beim Zapfenstreich und Einholen der Fahne bewunderte ich das Blasen der Trompeter so sehr, daß ich zu ihnen hinausging und ihnen meine Anerkennung aussprach. Das Klavierspiel unseres Sergeanten List bereitete mir wiederum großes Vergnügen. (Bd. 1, S. 398)

28. Juli 1945, Sonnabend

19.30 Uhr begann das Abendessen, dem als Gäste Secretary Forrestal und Vizeadmiral C. M. Cooke beiwohnen durften.
Von Musik ist an diesem Abend nichts zu lesen. Wohl deshalb nicht, weil Truman um 22.15 Uhr zum Schloss Cecilienhof fuhr, wo um 22.30 Uhr die 10. Beratung der drei Staatsoberhäupter begann.
Der Pianist Eugene List konnte nicht auftreten, da er für die in Berlin stationierten Truppen am Abend ein Konzert gab. Die Truppenzeitung der 2. Armored Division berichtete am 01. August darüber.

Rhapsodie von List
Staff Sergeant Eugene List, einer der besten Konzertpianisten Amerikas, unterhielt am Samstagnachmittag mehrere hundert begeisterte GIs der Division im Skyroom des Roten Kreuzes.
Sergeant List, ehemals Mitglied von Stokowskis Philadelphia Orchestra, reiste direkt aus Potsdam an, wo er für die Staatschefs der Alliierten gespielt hatte. Sein Programm umfasste Werke von Bach bis Gershwin, wobei dessen „Rhapsody in Blue“ besonders großen Anklang fand.

29. Juli 1945, Sonntag

Später am Tage, als mich Attlee, Bevin und Sir Alexander Cadogan im Kleinen Weißen Haus besuchten, informierte ich sie über die Unterredung mit Molotow. (Bd. 1, S. 408)

19.30 Uhr war das Abendessen unter Teilnahme von Captain Ross. Eine Armyband musizierte.

30. Juli 1945, Montag

Bereits um 19 Uhr begann das Abendessen. Sergeant Eugene List spielte a number of Chopin selections, the President`s favorites.

31. Juli 1945, Dienstag

Keine Nachricht über das Abendessen von Truman.

01. August 1945, Mittwoch

Captain Ross und First Lieutenant McDonald waren die Gäste bei Trumans Abendessen, das um 19 Uhr begann.

Eine Musikbegleitung zum Abendessen gab es diesmal offensichtlich nicht. Um 21.45 Uhr brachen Truman und seine Begleitung zum Schloss Cecilienhof auf, wo um 22.30 Uhr die sich bis in die frühen Morgenstunden des 2. August hinziehenden letzten Beratungen der Potsdamer Konferenz begannen.

02. August 1945, Donnerstag

Gegen 1 Uhr morgens war Truman wieder in seiner Residenz. Um 6 Uhr mussten er und seine Begleiter aufstehen, 6.30 Uhr gab es Frühstück, woraufhin sie sich um 7.15 Uhr zum Flughafen Gatow begaben.  um 7.40 Uhr traf Truman dort ein. 8.05 Uhr startete sein Flugzeug Richtung England.

Die Musiker an der Residenz Trumans

Nachfolgend werden die Künstler vorgestellt, die die Abendessen Trumans und seinen Empfang für Stalin und Churchill musikalisch umrahmten. Wie ausführlich die einzelnen Textbeiträge ausfallen, hängt vom Umfang des gefundenen Materials ab.

Die Band der 2. Armored Division

Am 16. Juli 1945, Harry S. Truman und sein Gefolge waren wenige Stunden zuvor von einer Rundfahrt durch das zerstörte Berlin zurück gekommen, gab es im Garten des Hauses ein Musikprogramm. Die Band der 2. Armored Division („Hell on Wheels“) spielte. Über ihre Zusammensetzung und wer sie dirigierte, ist kaum etwas bekannt. Das Gleiche gilt für die an diesem Abend gespielten Stücke.

Die 2. Armored Division war 1940 geschaffen worden und nahm an allen Kämpfen im westlichen Europa nach der Landung in der Normandie teil, wie der Überquerung des Rheins.
Anfang Mai 1945 versammelte sich die Division südlich von Wolfenbüttel, wo in aller Stille der Tag des Sieges gefeiert wurde. Die Division mit Training, Leichtathletik und einer abgesessenen Parade für russische Besucher beschäftigt. Am 19. Juni zog die Division 110 Kilometer weit, um sich im Raum Bernburg-Köthen zu sammeln und den Einzug in Berlin, 160 Kilometer nordöstlich, vorzubereiten.
Bis zum 3. Juli wurde die Division durch russische Brückenarbeiten an der Elbe aufgehalten. In dieser Nacht marschierte die Division im Regen nach Osten, überquerte am frühen 4. Juli den Fluss bei Torgau und marschierte am späten Nachmittag als erste amerikanische Besatzungstruppe in Berlin ein.
Die fünf Wochen in Berlin waren arbeitsreich. Die Anforderungen der Instandhaltung und der normalen Garnisonsaufgaben wurden zwischen der Außenpostenarbeit in der amerikanischen Zone der Stadt, Patrouillen, Übungsparaden und Ehrengarden sowie der Sicherung der Potsdamer Konferenz gequetscht.
Es fanden Paraden statt, bei denen alle Kampffahrzeuge in einer Linie entlang des „Äußeren Rings“ aufgereiht waren, sowie Paraden zu Fuß. Bei diesen Zeremonien wurden Präsident Truman und Premierminister Churchill, die Generäle Marshall, Eisenhower, Bradley und Patton geehrt.

Um die Truppen in Berlin bei Laune zu halten, gab es ein umfangreiches Programm zur kulturellen Betreuung. Einzelne Mitglieder der nach Berlin eingeflogenen Truppe, wie Eugene List und Stuart Canin, unterhielten musikalisch auch den US-Präsidenten und dessen Gäste beim Abendessen oder von ihm gegebenen Empfängen. Die Band der 2. Armored Division gehörte auch zu dem Begrüßungskomitee, das den Präsidenten und die Delegation am 15. Juli auf dem Flughafen Gatow empfing. Die Divisionszeitung „Hell on Wheels“ berichtete in ihrer Ausgabe vom 18. Juli 1945 darüber.

Am 25. Juli 1945 informierte „Hell on Wheels“ in einem großen Beitrag auf der Titelseite über die große Parade an der AVUS am 16. Juli für den US-Präsidenten und Premierminister Churchill. Die Band der Division war auch daran beteilgtz, weshalb sie wohl zur Abendunterhaltung in die Residenz des Präsidenten eingeladen worden war, Ein weiterer Beitrag „Beach Club Will Rival Riviera“ berichtete über die Annehmlichkeiten, die für die Amerikaner im Strandbad Wannsee geschaffen wurden.

298. Army Band

In den Informationen über die musikalische Umrahmung der Abendessen von Truman erscheint immer wieder die Bezeichnung „U. S. Headquarters, Berlin District, Army Band“. Hierbei handelte es sich entweder um die 298. oder um die 300. Army Band.

Die 298. Army Band traf im Juli 1945 in Berlin ein. Sie kam aus London, wo sie als European Theater of Operations (ETO) Band bekannt war. Auf Anweisung des Kriegsministeriums wurde die 56 Musiker umfassende Kapelle jedoch in zwei 28-köpfige Kapellen aufgeteilt. Die Bezeichnungen lauteten 300. Infanterie- und 298. Infanterie-Band. Im Grunde waren sie aber eigentlich eine. Irgendwann wurde die Bezeichnung „300.“ fallengelassen.
Die 298. diente von Juli 1945 bis zu ihrer Deaktivierung Ende 1994 ununterbrochen in Berlin. Mit über 49 Jahren ununterbrochenen Dienstes ist die Kapelle die am längsten dienende Einheit in Berlin. Sie wurde auch als Berlin Brigade Band bezeichnet und kam bei den verschiedensten Anlässen zum Einsatz, offiziellen und kulturellen.

Als Dirigenten sind folgende Namen mit dieser Band verbunden: Thomas F. Darcy Jr. und Frank Joseph Rosato.

Frank Joseph Rosato.

Frank Joseph Rosato wurde im Stadtteil Irish Channel in New Orleans als Sohn italienischer Einwanderer geboren. Er studierte Ingenieurwissenschaften an der Tulane University und schloss sein Studium 1937 ab. Während des Krieges diente er als Chief Warrant Officer und leitete die Musikkapelle des 156. Infanterieregiments, das Teil der Louisiana National Guard war und am 25. November 1940 in den Bundesdienst eingezogen wurde. Rosato diente auf dem europäischen Kriegsschauplatz und wurde gebeten, im Juli 1945 bei der Potsdamer Konferenz aufzutreten. Eine Sammlung mit seinem Nachlass umfasst etwa 50 Fotografien aus Rosatos Dienstzeit.

Eugene List – Trumans Pianist

„Unser Junge“ war Stabsfeldwebel Eugene List, ein 27-jähriger Konzertpianist, der als Schütze eingezogen worden war. „Das Ganze hatte etwas Unwirkliches“, schrieb List in seinen unveröffentlichten Memoiren. „Ich erinnere mich, wie ich mich mit aller Kraft auf die 88 Tasten des Klaviers konzentrierte, die etwas Vertrautes und Reales darstellten, an dem ich mich festhalten konnte. Doch ab und zu, während ich spielte, blickte ich auf und sah Churchill oder Stalin. Es war wie ein wilder Traum.“ List und der 19-jährige Private First Class Stuart Canin, ein Geiger, spielten während des Abendessens und danach auf einer Veranda mit Blick auf den Griebnitzsee. „Damals“, schrieb List, „ging Stuart und mir viel zu schnell die Musik aus, die wir zusammen spielen konnten“ – und so blieb es List überlassen, als Solist weiterzumachen.
„An dem, was ich für das Ende dieses ohnehin schon unglaublichen Abends hielt“, fuhr er fort, „sprang Stalin auf und sagte: ‚Ich möchte einen Toast auf den Pianisten ausbringen!‘ Ich trat seit meinem zehnten Lebensjahr professionell auf, aber jetzt war ich wie versteinert. Präsident Truman winkte mich nach vorne, und jemand drückte mir ein Glas Wodka in die Hand. Da stand ich nun, Auge in Auge mit Stalin – was sagt man dazu?“
List erzählte Stalin, dass er mit sechzehn das Schostakowitsch-Konzert mit Leopold Stokowski und dem Philadelphia Orchestra gespielt habe, „und Stalin schien zufrieden zu sein!“ Churchill bat List, den „Missouri Waltz“ (kein Lieblingsstück Trumans) zu spielen, den List improvisieren konnte – „während Stalin am Klavier lehnte und an seiner Pfeife paffte.“ Danach bat jemand Truman, zu spielen, und, so List, „gab er im Paderewski-Menuett – dem Menuett in G – eine sehr gute Leistung ab.“ Bis zum Ende der Potsdamer Konferenz hatte List fünfmal Präsidentengesellschaft auf der Veranda des Little White House gespielt, gegenüber dem Griebnitzsee.
Truman half zumindest einmal beim Umblättern aus. „Stell Dir vor, der Präsident der Vereinigten Staaten würde für Dich die Seiten umblättern!“, schrieb List an seine Frau. „Ist das nicht etwas Besonderes?“ Er war beeindruckt von Trumans Musikalität: „Er liebt Musik und versteht sie außerdem.“ (S. 37 f.)

Eugene List in Uniform (1945).

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Der ehemalige Präsident Harry S. Truman mit dem Pianisten Eugene List (r.), als dieser am 17. Mai 1959 für ein Konzert in der Truman Library weilte. Das Foto ist Besitz der Truman Library.

Eugene List wurde am 6. Juli 1918 in Philadelphia (USA) als Sohn ukrainischer Emigranten geboren und verstarb am 1. März 1985 in New York City. Er war Pianist, Musikpädagoge und Hochschullehrer.
List erhielt frühzeitig Klavierunterricht und zeigte sich äußerst begabt. Mit 12 Jahren trat er mit den Los Angeles Philharmonikern unter der Leitung von Leopold Stokowski auf und spielte das 3. Klavierkonzert von Ludwig van Beethoven. Nach dem Besuch des Konservatoriums in Philadelphia wurde er 1934 landesweit bekannt, als er am 12. Dezember 1934 das im Vorjahr komponierte Klavierkonzert Nr. 1 in C-Moll op. 35 von Dmitri Schostakowitsch uraufführte.

Am 1. März 1942 wurde List zur US-Armee einberufen, zuerst war er dem Hafen-Transportkorps in Brooklyn zugeteilt, ein Jahr später wechselte er in die Special Services Division – die     Entertainment-Abteilung der US-Streitkräfte. List trat nicht nur bei Armee-Konzerten, sondern auch bei zivilen Musikveranstaltungen in Uniform auf. Die Medien berichteten umfänglich über den virtuosen Vorzeige-Soldaten und das öffentliche Interesse weitete sich auf das Privatleben des Pianisten aus. Die New York Times berichtete ausführlich über seine Eheschließung mit der US-amerikanischen Geigerin Carroll Glenn 1943. Nach dem VE-Day wurde List nach Paris zur Unterstützung des Seventh Army Symphony Orchestras abkommandiert und anschließend zur Gestaltung des musikalischen Programms der Potsdamer Konferenz eingeladen. Staff Sergeant List erwarb sich durch seine dortigen Auftritte Harry S. Trumans Anerkennung, galt infolge als dessen „inoffizieller Hof-Pianist“ und war bis in die Ära Jimmy Carters regelmäßiger Gast im Weißen Haus. (https://de.wikipedia.org/wiki/Eugene_List)

Eugene List und seine Frau Caroll (1918 bis 1983) hinterließen zwei Töchter, die ebenfalls künstlerisch tätig sind. Im Besitz von Rachel List befinden sich die unveröffentlichten Memoiren ihres Vaters.

Stuart Canin, Spielpartner von Eugene List

Stuart Canin (Violine) und Eugene List (Klavier) bereiten sich auf das Konzert am 17. Juli 1945 vor Truman, Churchill und Stalin vor.

Am 7. April 2016 erinnerte sich der nunmehr 90 Jahre alte Pianist Stuart Canin im Interview mit dem Magazin „Strings“ an ein besonderes Ereignis in seinem Leben. Seinen Auftritt vor den Großen Drei – Truman, Churchill und Stalin – am 17. Juli 1945 in der Neubabelsberger Residenz des amerikanischen Präsidenten.

„Plötzlich hörten wir Motoren, ein paar Limousinen kamen an, und aus einer stieg Josef Stalin in seiner Marschalluniform“, sagt Canin kichernd. „Und Winston Churchill stieg aus dem anderen. Und Molotow und Außenminister Byrnes. Alle, die jemals auf der Titelseite der New York Times waren, stiegen aus den Wagen und gingen ins Haus, und wir fragten uns: ‚Was ist das?‘“
Stunden später saßen die drei Titanen – Truman, Churchill und Stalin – auf einem kleinen Sofa vor den Musikern. „Und dann sagte Truman: ‚Meine Herren, würden Sie etwas für uns spielen?‘“ Canin lächelt, als er sich erinnert: „Können Sie sich das vorstellen, ich war gerade mal 19.“

Stuart Canin mit seiner Violine, 1945.

Für die American Federation of Musicians schrieb Alex Welsh 2012 ein ausführliches Porträt des berühmten und gefeierten Violinisten. Es sind die konkretesten Angaben zu seiner persönlichen, beruflichen und künstlerischen Entwicklung.

Stuart Canin wurde im April 1926 in New York City in einer jüdischen Familie geboren. Sein jüngerer Bruder Martin kam vier Jahre später zur Welt. Stuarts Vater, Monroe Canin, war Zigarrenverkäufer und einer der Gründer der Tabak- und Lagerhausgewerkschaft in New York. Seine Mutter Mary war Hausfrau. Die Canins lebten in Far Rockaway, einer überwiegend jüdischen Gemeinde. „Rockaway Beach war der reiche Teil und Far Rockaway der arme. Es war im Grunde eine Sommergemeinde mit vielen Bungalows am Strand. Wir lebten das ganze Jahr dort, einen Häuserblock vom Meer entfernt.“ Von Juni bis zum Labor Day wurden die Bungalows von Familien gemietet, die aus Manhattan und der Bronx kamen. Die Männer pendelten unter der Woche zur Arbeit, während ihre Frauen und Familien Urlaub machten.

Die Canins interessierten sich sehr für die musikalische Entwicklung ihrer Kinder. Stuarts Mutter war eine autodidaktische Pianistin, und sein Vater liebte die Geige. „Mein Vater war ein Geigennarr. Er war ein schrecklicher Geiger, aber er liebte die Geige. 1931 brachte er eine kleine Geige nach Hause und sagte: ‚Lass es uns versuchen.‘“ Sein Vater übte jeden Morgen vor der Arbeit eine Stunde lang mit ihm. Abends spielte Stuart mit ihm und für ihn. Stuarts Bruder Martin wurde später Klavierprofessor an der Juilliard School.

Am 30. Dezember 1936 spielte Stuart in einer Folge der Fred-Allen-Radioshow François Schuberts „Die Biene“. Dies war der Beginn einer urkomischen Radiofehde zwischen Jack Benny und Fred Allen, in der Fred Allen bewies, dass ein Zehnjähriger besser spielen konnte als Jack Benny. Die Fehde dauerte vier Jahre und gipfelte in einem Film namens „Love Thy Neighbor“. Während der Filmpremiere im Paramount Theater in New York überreichten Jack und Fred Stuart einen Scheck über 1000 Dollar zur Förderung seiner musikalischen Ausbildung. Zwanzig Jahre später wurde Stuart in einer Folge von „Where Are They Now?“ nach Hollywood eingeflogen, um in der Jack-Benny-Fernsehshow aufzutreten und bewies erneut, dass er besser spielen konnte als Benny.

In der Schule erkannten Stuarts Lehrer sein Talent und befreiten ihn vom Orchester- und Sportunterricht, damit er üben konnte. Er begann ein Studium im Henry Street Settlement in Manhattan, einer Schule für unterprivilegierte Kinder bei dem renommierten Lehrer Ivan Galamian, zu dessen Schülern auch Itzhak Perlman und Pinchas Zukerman gehörten. Zu seiner Sicherheit und weil die Wirtschaftskrise herrschte, begleitete ihn Stuarts Mutter immer auf der Long Island Railway. Sie behauptete, er sei unter zwölf und müsse deshalb nicht den vollen Fahrpreis bezahlen. So ging es mehrere Jahre lang.
Nach seiner Aufnahme an der Juilliard School zog die Familie Canin in die Bronx, nur wenige Blocks vom Yankee Stadium entfernt, damit Stuart leichter zur Schule pendeln konnte.

Im April 1944 wurde er 18 Jahre alt und im Oktober als Schütze zur Armee eingezogen. „Ich hatte eine billige Geige dabei. Als ich im New Yorker Hafen an Bord des Truppentransporters ging, fragte mich mein Kommandant: ‚Wofür ist die denn?‘ Ich antwortete: ‚Man kann ja nie wissen.‘“ Nach Europa geschickt, erlebte er dort aber glücklicherweise keine Kampfhandlungen, da der Krieg dem Ende entgegenging. Als die Kämpfe vorbei waren, warf die Armee einen Blick auf seine Akte und schickte ihn nach Paris, um beim Aufbau eines GI-Orchesters zu helfen. „Ich trat einer sogenannten Soldaten-Showkompanie bei. Leute wie Mickey Rooney waren dabei; alle möglichen wunderbaren Menschen wurden zusammengebracht, um die Truppen zu unterhalten.
Im Juli 1945 erhielt Stuart Canins kommandierender Offizier die Nachricht, dass Präsident Truman nach Potsdam kommen würde. Er dachte sich, der Präsident, ein klassisch ausgebildeter Pianist, könnte etwas Musik mögen und bot seine Künstler für die Unterhaltung an.  Der Komiker Mickey Rooney war zunächst auch vorgesehen, durfte dann aber nicht auftreten. Man wusste, dass Stalin anwesend dort sein würde und war sich nicht sicher, wie er auf Rooneys Humor reagieren würde.

An jenem berühmten Tag – dem 17. Juli 1945, um 18:30 Uhr – standen wir auf der Veranda im Obergeschoss. Eine Limousine nach der anderen kam die Straße entlang. Aus einer stieg Stalin, dann Churchill, dann Truman. Nach dem Abendessen kamen sie auf die Veranda, wo ein Sofa für drei Personen stand. Truman saß in der Mitte, Stalin links von ihm, seiner politischen Zugehörigkeit entsprechend, und Churchill rechts. Eugene List, der Pianist, und ich bildeten ein kleines Duo. Truman sagte: ‚Meine Herren, spielen Sie etwas.‘ Also spielten wir, ohne zu ahnen, dass es Geschichte werden würde.“

Über seinen Auftritt vor den Großen Drei zur Potsdamer Konferenz entstand 2015 ein kurzer Dokumentarfilm „The Rifleman`s Violin„.

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