Die Obrigkeit der Landeshauptstadt Potsdam hat die Einwohnerschaft aufgerufen, mit ihr einen Geburtstag zu zelebrieren.Am 03. Juli 2018 wird Potsdam 1025 Jahre alt. Zumindest für all jene, die darauf schwören, dass am 03. Juli 993 eine Schenkungsurkunde unterzeichnet wurde und dass das darin erwähnte “Poztupimi” – ganz im Sinne der 1724 (!) getätigten Aussage von Jacob Paul Gundling – identisch sei mit dem heute existierenden Potsdam.
Kampagnen sind wichtig. Sie lenken die Menschen ab – von den aktuellen Problemen – und sollen helfen, sie auf die mit der Kampagne verbundenen Grundaussagen zu fokussieren und so viel wie möglich Touristen in die Stadt zu locken. Da es reichlich Probleme in Potsdam gibt, legt die Stadt – wie es in ihrer offiziellen Mitteilung heißt -, “bewusst den Fokus auf die bemerkenswerten Veränderungen im Stadtbild der letzten 25 Jahre seit den 1000-Jahr-Feierlichkeiten im Jahr 1993“.Damit entzieht sie sich aber auch ihrer Verantwortung, die Geschichte der Stadt weiter aufzuarbeiten und sie aus dem Dreiklang Residenzstadt – Garnisonstadt – Verwaltungszentrum herauszulösen und den Mehrfachklang Bürgerstadt – Residenzstadt – Garnisonstadt – Verwaltungszentrum – Gartenbaustadt in das Bewußtsein der Menschen hinein zu tragen.

Es war und ist nicht einfach, den in der Stadt und außerhalb von ihr lebenden Menschen zu vermitteln, dass Potsdam 1025 Jahre alt sein soll. Das hängt in erster Linie nicht mit den Zweifeln zusammen, die die Echtheit der Ersterwähnungsurkunde umranken. Vielmehr resultiert es aus dem Fakt, dass die ersten 667 Jahre der Existenz Potsdams seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts aus der Beschreibung ihrer Geschichte fast vollständig herausgehalten werden. So als ob man sich ihrer schämt.Oder steckt mehr dahinter, dass die Beschreibung der Geschichte Potsdams überwiegend mit dem Jahr 1660 verbunden wird, mit dem Jahr der Erhebung Potsdams zur Residenzstadt der Hohenzollern vor den Toren ihrer Residenz Berlin?

Der “Fokus auf die bemerkenswerten Veränderungen im Stadtbild der letzten 25 Jahre seit den 1000-Jahr-Feierlichkeiten im Jahr 1993” wird vor allem auf die Veränderungen rund um den Alten Markt gerichtet sein und auf das Sich-selbst-Feiern der für die Stadtpolitik Verantwortlichen für das, was sie für die nahe Zukunft zur Umsetzung vorgesehen haben. Aber wird man sich dabei auch den folgenden Fragen stellen:

Warum ist Potsdam eine Stadt ohne Zentrum der Stadtbevölkerung, ohne echten Stadtplatz?
Der heutige Alte Markt war es noch bis 1660. Aber als der Kurfürst entschied, hier seine neue Residenz zu schaffen, begann seine Umwandlung vom zentralen Platz der Stadt hin zum Schloßplatz der Residenz.
Die Bevölkerung wurde aus dem Umfeld des Schlosses vertrieben und musste sich an neuen Wohnplätzen ansiedeln. Die Bürgerschaft wurde ihrer Verantwortung für die wichtigsten städtischen Bauten enthoben, wie dem Rathaus, indem die Herrscher aus dem Hause Hohenzollern, diese abreißen und nach ihren Vorstellungen neu bauen ließen. Auch die Arbeit und das Leben in diesen Bauten bestimmten sie.

Wie stand es um die Selbständigkeit der Bevölkerung Potsdams bei der Bestimmung ihrer Geschicke?
Mit der Umwandlung Potsdams zur Residenz der Hohenzollern war auch die Umerziehung der Stadtbevölkerung in dem Herrscherhaus bedingungslos treue Untertanen verbunden. Wer sich dem nicht fügen wollte, musste gehen. Mit bis 1914 betriebenen Kampagnen zur Gewinnung neuer Bürger wurde nicht nur ein Zuwachs an Einwohnern erreicht. Es war auch ein periodisch vorgenommener Austausch der Bevölkerung.
1721 ließ König Friedrich Wilhelm I. die Katharinenkirche – das letzte Symbol einst eigenständigen städtischen Lebens im Zentrum der Stadt – abreißen. Verbunden war dies mit einer beispiellosen Störung der Totenruhe und der Entweihung sowie Vernichtung von Grabstätten der einstigen Potsdamer Stadtbevölkerung. Wie haben die Potsdamer die Vernichtung ihres Gotteshauses und die Entweihung der Grabstätten ihrer Vorfahren aufgenommen? Gab es Widerstand? Wo beteten Sie, in der Zeit nach dem Abriss ihrer Kirche und der Eröffnung der neuen? Wie verhielten sich die Prediger damals? Fragen über Fragen. Von denen hier nur einige benannt wurden. Aber wohl zum ersten Mal in der Geschichte Potsdams?
Bis heute ist der Gewaltakt des Königs gegen die Potsdamer Bevölkerung in seiner Bedeutung nicht aufgearbeitet worden. Ganz im Geiste treuer Untertanen wird bis in die Gegenwart an der Aussage festgehalten, dass der Abriss der Katharinenkirche erfolgte, weil sie mit der Entwicklung der Stadtbevölkerung nicht Schritt gehalten habe und zu klein geworden war. In vielen anderen Städten hatte es das Problem mit dem Anwachsen der Bevölkerung und der dadurch zu klein gewordenen Kirche auch gegeben. Aber führte das zum Abriss ihrer Hauptkirche? Und wenn es doch einmal einen Neubau gab, hielt das städtische Bürgertum an dem Namen des vorherigen Kirchenbaus fest. Nur nicht in Potsdam! Weil das Stadtbürgertum keinen Einfluss mehr hatte auf den Kirchenbau. Der Abriss und die Umbenennung der Kirche von Katharinenkirche in Nikolaikirche war ein ganz gezielt ausgeübter Akt landesherrlicher Macht. Wie auch der später erfolgende Bau der Heiligengeistkirche (1726/28) und der Garnisonkirche (1730/35).

Die vorstehend gestellten Fragen sind nur zwei von vielen anderen, nie gestellten bzw. bewußt mißachteten. Doch es ist wichtig, sich ihrer zu widmen. Sie geben die Antworten auf viele Probleme der aktuellen Entwicklung Potsdams. Ihre Beantwortung hilft bei der Gestaltung der Zukunft und vielleicht hilft es auch vielen Personen, die sich zu Meinungsbildnern zu bzw. über Potsdam berufen fühlen, eine Wandlung zu vollziehen: hin zu selbstwusst agierenden Stadtbürgern und weg von sich dem Willen der einstigen Herrscher bis in die heutige Zeit verpflichtet fühlenden Untertanen.

Von admin

Ein Gedanke zu „1025 Jahre Potsdam – Gedanken über eine neue Kampagne“

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