In der Datenbank des Brandenburgischen Landesamts für Denkmalpflege und Archäologisches Landesmuseum (BLDAM) ist auf dem für die Meierei im Neuen Garten erstellten Datenblatt der Hinweis enthalten „Teilzerstörung, 1945“.((https://ns.gis-bldam-brandenburg.de/hida4web/view?docId=obj09156867.xml))
In dem für die „Meierei im Neuen Garten“ erstellten Eintrag bei WIKIPEDIA heißt es: „Die Besetzung durch die Rote Armee Ende 1945 und die Brandzerstörung eines Teils des Gebäudes ließen eine gastronomische Nutzung nicht mehr zu. In diesem ruinösen Zustand befand sich die Meierei noch, als 1961 die Berliner Mauer errichtet wurde.1 Auf der Internetseite der Gasthausbrauerei Meierei ist zu lesen: „1944 Die in der Nacht vom 24. zum 25. Juli 1944 entstandenen Bombenschäden werden zunächst teilweise repariert. 1945 wird das Gebäude von der sowjetischen Armee besetzt und brennt durch Unachtsamkeit bis auf die Außenmauern aus.2 Die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (SPSG) schreibt in einer mit Datum 30. Juni 2016 versehenen Übersicht zu den im Neuen Garten seit 1990 ausgeführten Arbeiten: „1945 von der Roten Armee besetzt, durch Unachtsamkeit in Brand geraten. Außenmauern und Pumpstation blieben erhalten.3 Ortrun Engelkraut von der SPSG schrieb im Januar 2020: „Das Originalinventar (des Schlosses Cecilienhof, V. P.) war in die Meierei am Ufer des Jungfernsees ausgelagert und wurde bei einem Brand am 18. Juli 1945 fast vollständig zerstört.4
Hans-Joachim Giersberg, Generaldirektor der SPSG, war offensichtlich der Erste, der diesen Sachverhalt in die Öffentlichkeit gebracht hatte. 1995 schrieb er: „Ein Brand in der Meierei am 18. Juli 1945 hatte auch den Verlust der Möbel aus Cecilienhof zur Folge.5

Bis heute konnte der Öffentlichkeit kein Beleg vorgelegt werden, dass es am 18. Juli 1945 in der Meierei gebrannt hat. Auch Friedhild-Andrea Anders, die 1999 die erste Arbeit über die Situation der Berliner und Potsdamer Schlösser während der Kriegs- und Nachkriegszeit vorlegte, schrieb dazu keine Zeile.6 Im Archiv der SPSG wird man bei der gezielten Suche nach einem aussagekräftigen Dokument ebenfalls nicht fündig. Was auch für die bislang veröffentlichten Arbeiten und Memoiren zur Potsdamer Konferenz zutrifft, die am 17. Juli 1945 im unweit von der Meierei entfernten Schloss Cecilienhof eröffnet wurde. Letzteres ist ungewöhnlich, angesichts des sehr hohen Sicherheitsstandards für die Konferenz und der Medienpräsenz.

Es müsste sich, wenn nicht um einen Großbrand, aber um einen größeren und über den Brandort hinaus sichtbaren Brand gehandelt haben, mit Gefährdungspotenzial für den Konferenzort. Und davon soll keine an der Konferenz teilnehmende Person etwas mitbekommen haben? Das ist unwahrscheinlich. Die der Sowjetunion gegenüber nicht unbedingt positiv eingestellten Medienvertreter der USA und Großbritanniens hätten bestimmt darüber informiert. Aber das war nicht der Fall. Am Beispiel der Berichterstattung der „New York Times“ über die Potsdamer Konferenz wird in einem speziell dazu verfassten Beitrag sichtbar gemacht werden, wie unwahrscheinlich es gewesen ist, dass ein Großbrand in der Nähe des Konferenzortes nicht bemerkt und der Öffentlichkeit der westlichen Teilnehmerstaaten vorenthalten worden wäre. Schon vor der Konferenz und vor allem zu deren Beginn wehrten sich die Medienvertreter der westlichen Alliierten gegen versuchte Einschränkungen ihrer Handlungsfreiheit und gegen die ihnen zugedachte Rolle von „Hofberichterstattern“. Das heißt, hätte es im Umfeld des Konferenzortes Feuer in einem Gebäude gegeben, wäre dieser Vorfall sofort aufgegriffen worden.

Hinzu kommt, dass es damals nicht nur die Potsdamer Feuerwehr gab, sondern die Delegationen eigene Löschfahrzeuge und Feuerwehrleute mitgebracht hatten. Bei der Bedeutung dieses Feuers wäre es bestimmt in die Geschichte der Potsdamer Berufsfeuerwehr als ein hervorzuhebendes Ereignis eingegangen. Doch auf deren Internetseite ist dazu nichts zu finden.7 Auch die Feuerwehrleute der drei Großmächte hätten sich daran erinnert.

Mit 20. Januar 1951 ist die “Aufnahmeliste für das Sachvermögen“, Blatt 83, zum Einzelplan 25, Kapitel 352, datiert, die das Ministerium für Volksbildung des Landes Brandenburg erstellen ließ. Erfasst wurde darin die Meierei im Neuen Garten der Verwaltung der Staatlichen Schlösser und Gärten Potsdam-Sanssouci. Zum Gegenstand “Ehem. Meierei im Neuen Garten” heißt es:

Grundbuch Band 152, Blatt 4472. Dienstwohngebäude mit Schieferdach. Baulicher Zustand durch Bombeneinwirkung sehr schlecht.

Detailliert aufgeführt wurden umbauter Raum in einem Gesamtumfang von 5.300 Kubikmeter, ein Dampfschornstein, 46 Meter Lattenzaun und 17 Meter Drahtzaun, Pflasterungen, Abflussrinne, 22 Meter Brüstungsmauer, 55 Meter Futtermauer, 41 Meter “hölzernes Bollwerk an der Havel”, 22 Meter “Sandsteinfreitreppen mit Wangen” sowie Zu- und Abflussleitungen und Schmutzwasserhebeanlage. Der Neubauwert wurde mit 134.800 DM beziffert. Der Zeitwert zum 31. Dezember 1950 mit 43.100 DM.8

Auf dem dazu gehörenden Deckblatt der “Anlagenkartei für Grundvermögen in Verwaltung von Haushaltsorganisationen” steht hinter “ehem. Meierei Neuer Garten” die Bleistifteintragung “Ruine”.
An den Begriff “Ruine” knüpfen die Bemerkungen von Prof. Dr. Willy Kurth, Direktor der Staatlichen Schlösser und Gärten Potsdam-Sanssouci, in einem Schreiben an den Rat der Stadt Potsdam, Abteilung Kultur, vom 4. März 1954 an:

Die Meierei ist mir noch nicht übergeben worden. Sie ist aber eine so starke Ruine, daß es sich wohl auch später kaum rentieren würde, sie wieder herzustellen. Einen künstlerischen Wert stellt sie nicht dar, so interessant ihre Lage auch in der Seelandschaft erscheinen mag.9

In allen im Archiv der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg befindlichen und ausgewerteten Dokumenten ist kein Hinweis auf die Beschädigung der Meierei durch einen Brand zu finden. Die Formulierung “Bombeneinwirkung” ist dahingehend zu interpretieren, dass damit die bei dem Angriff der sowjetischen Truppen im April 1945 entstandenen Schäden gemeint sind.

Anfang der 2000er Jahre ließ die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg in Verbindung mit der Idee “Gasthausbrauerei Meierei im Neuen Garten” ein Gutachten zur restauratorischen Fassadenuntersuchung erstellen. Am 30. August 2002 lag das Ergebnis der Diplom-Restauratorin Catharina Schüßler vor. Auf Seite 10 f. hält sie fest:

An der Oberwand unter dem Altan (Kalksteinfassade) sind großflächig rot gefärbte Bereiche erkennbar. Bei dieser roten Schicht handelt es sich wahrscheinlich ursprünglich um eine Ockerfassung, welche durch Brandhitze (Hitzestau unter der Kappendecke des Altans, Brandspuren sind überall erkennbar) in Rotocker umgewandelt wurde. Diese Vermutung wird durch ca. 5 mm tiefe Rotverfärbungen am angrenzenden Sandstein bekräftigt.

Catharina Schüßler bestätigt, dass der Außenanstrich des Bauwerks durch Feuer geschädigt worden ist. Sie fand jedoch nur im Eingangsbereich (Altan) Spuren. Von weiteren Hinweisen am Mauerwerk, die auf einen großen Brand schließen lassen könnten, ist in ihrem Bericht nichts zu lesen.10

Offen bleibt somit weiterhin die Antwort auf die nachfolgende Frage:
Gab es am 18. Juli 1945 einen Brand in der Meierei oder handelt es sich hierbei um eine der vielen in und zu Potsdam entstandenen Legenden? Wer hatte ein Interesse daran, dass sie in die Öffentlichkeit gelangte und wer ist daran interessiert, dass an ihr nicht gerührt wird?
Schließlich besteht hier eine sehr enge Verbindung zu einem nach wie vor brisanten Thema: Das Schicksal des Inventars von Schloss Cecilienhof im Jahr 1945.

 

© Dr. Volker Punzel, GeschichtsManufaktur Potsdam (31.10.2020)

  1. https://de.wikipedia.org/wiki/Meierei_im_Neuen_Garten []
  2. https://www.meierei-potsdam.de/geschichte/ []
  3. https://www.spsg.de/fileadmin/user_upload/UNESCO25/1.3.Neuer_Garten_Potsdam.pdf []
  4. http://www.berlin.de/projekte-mh/netzwerke/spaetlese/themen/politik-wirtschaft-und-soziales/artikel.879042.php []
  5. Schloß Cecilienhof und die Potsdamer Konferenz 1945. Von der Hohenzollernwohnung zur Gedenkstätte, Berlin-Kleinmachnow-Potsdam 1995, S. 26. []
  6. Anders, Friedhild-Andrea: Schlösser in der Stunde Null. Die Berliner und Potsdamer Schlösser während der Kriegs- und Nachkriegszeit, Potsdam 1999. []
  7. https://www.feuerwehr-potsdam.de/einsaetze_veranstaltungen/einsaetze_vor_1999/einsaetze_1945_1987.htm. []
  8. SPSG, Archiv, Akte 2/3714, Aufnahmeliste für das Sachvermögen v. 20.1.1951. []
  9. SPSG, Archiv, Akte 2/1789/1. Schreiben v. 4.3.1954 []
  10. SPSG, Archiv, Schüßler, Catharina: Meierei Neuer Garten. 14469 Potsdam. Ergebnis der restauratorischen Voruntersuchungen an den Fassaden der Meierei und des Waschhauses,Berlin. August 2002 []

Von admin

3 Gedanken zu „18. Juli 1945: Die Legende vom Brand in der Meierei“
  1. Vom Brand in der Meierei schreibt zum ersten Mal Heinz Sichert in seiner Forschungsarbeit zur Geschichte des Schlosses Cecilienhof im Jahr 1983. Die Direktorin der Gedenkstätte des Potsdamer Abkommens, Erika Herbrich, hatte in den späten 1970er Jahren den Arbeitskreis der Historischen Gedenkstätte gegründet. 1980 lud sie Walter Weber, einen ehemaligen Diener des Kronprinzen, zu einem der monatlichen Sitzungen ein. Weber, der von 1931-1945 im Cecilienhof tätig war berichtete von dem Brand in der Meierei am 18.7.1945, er nennt sogar eine Uhrzeit „17.30 Uhr“, „verursacht durch die Kraftfahrer der Delegationen, die sich hier während der Konferenz aufhielten. Durch Zigarettenstummel wurde der Brand ausgelöst, wobei alle ausgelagerten Möbel von Cecilienhof, die hier untergestellt waren, verbrannten.“ So berichtete es Weber und Heinz Sichert notierte es. Sicher hat Prof. Giersberg hier seine Informationen für seinen Aufsatz her, leider nannte er die Quelle nicht. Die SPSG hat nach dem Tod von Heinz Sichert, von dessen Witwe, das Manuskript erworben. Heute befindet es sich im Archiv/Graphische Slg. der SPSG.

    1. Hallo Jörg, aufgrund von Rauchentwicklung sollte sich doch in den historisch noch erhaltenen Teilen des Dachstuhl nachweisen lassen, ob es dort wirklich gebrannt hat. Wenn das Mobiliar so stark beschädigt worden wäre, dass es praktisch vernichtet wurde, sollten wohl sogar Brand- oder Schmorspuren zu finden sein. Mindestens mittels chemischer Analysen.
      Insofern wundert mich, dass sowas noch niemand beauftragt hat.
      Viel Grüße
      Jörg- Michael (JM) Scherping

      1. Das ist auch meiner vielen Fragen zu diesem Vorgang.
        Mir würde es auch schon gereicht haben, wenn ein in der Ermittlung der Ursachen von Bränden geschulter Experte sich dazu geäußerte hätte, was alles an Faktoren zusammenkommen muss, um einen Brand in der geschilderten Größenordnung zu entfachen. Eine auf Holz treffende, noch glimmende Zigarettenkippe, reicht wohl nicht? Eine in einen Haufen Stoff oder Papier fallende Kippe, vielleicht eher?
        Dann bleibt für mich noch immer die Frage: Warum hat, bis auf Walter Weber, niemand etwas von dem Brand bemerkt? Zum anderen: Es bestand 1945 fast durchgehend Briefkontakt und auch einmal persönlicher Kontakt zwischen Kronprinzessin Cecilie und dem vom sowjetischen Stadtkommandanten in Potsdam hoffierten und in Potsdam lebenden Vertreter der Hohenzollern, Arthur Berg. Mir liegt nur ein Antwortbrief von ihr vor. Aber in Cecilies Nachlass müssen sich die Briefe Bergs befinden.

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