Anlässlich des 70. Jahrestages der Potsdamer Konferenz veröffentlichte die “Märkische Allgemeine Zeitung” in ihrer Ausgabe vom  01. August 2015 die beigefügte Darstellung der möglichen Fahrtroute der „Großen Drei“ zwischen ihren Residenzen in Neubabelsberg und dem Tagungsort im Schloss Cecilienhof. Als Quelle wird angegeben: “Zeitzeugen”. Die Karte hätte nicht veröffentlicht werden dürfen, denn sie geht hinter den Erkenntnisstand zurück, der – in soliderer Form und nicht in der nach öffentlicher Aufmerksamkeit heischenden Aufmachung der “Zeitzeugen” – bereits 1995 veröffentlicht worden war. Doch es ist typisch für die Tageszeitungen, regionale und überregionale -, dass sie vor einer Veröffentlichung keine solide Prüfung des Inhalts des Beitrages vornehmen. Geht es ihnen doch nur um den Augenblickseffekt. Dabei waren und sind die Tageszeitungen für Historiker eine wichtige Informationsgrundlage.

Die MAZ-Karte ist nur teilweise richtig, wie Aufnahmen sowjetischer Kameraleute und in der Zeit der Potsdamer Konferenz entstandene Fotografien belegen. So lange wir aber nicht die offiziellen Dokumente auswerten können, wie die von der sowjetischen Seite erstellten Pläne und Dokumente für die Organisation der Unterbringung der an der Potsdamer Konferenz teilnehmenden Delegationen, bleiben trotzdem Fragezeichen.
Im Folgenden wird der Versuch unternommen, anhand bislang bekannter bzw. neu aufgefundener Fakten die Fahrtroute von Stalin, Churchill und Truman zu rekonstruieren.

Der Weg zum Schloss Cecilienhof

Die Staatsoberhäupter der Sowjetunion, Großbritanniens und der USA fuhren von ihren Residenzen in Neubabelsberg aus die Kaiserstraße (später: Karl-Marx-Straße) entlang und bogen vor dem Eingang zum Babelsberger Park nach rechts in Richtung Klein Glienicke ab. Den „Durchstich zu Klein Glienicke“, der die Glienicker Lake mit dem Griebnitzsee verbindet, querten die Wagenkolonnen in Höhe der bei Kriegsende gesprengten, aber von der Roten Armee durch eine Behelfsbrücke ersetzten Enver-Pascha-Brücke.  An der Kreuzung Kurfürstenstraße (später: Waldmüllerstraße)/Am Böttcherberg standen drei Kontrollposten, jeweils einer von jeder Nation, die die Fahrzeuge nach links in die Waldmüllerstraße einwiesen, an deren Ende, d. h. vor dem Eingang zum Gelände des Jagdschlosses Glienicke, sie nach rechts in die Parkstraße (später: Mövenstraße) einbogen.

Sie querten das Wasser über eine Behelfsbrücke, um zur damaligen Kurfürstenstraße (heute: Waldmüllerstraße) zu kommen. An der Kreuzung Parkstraße/Berliner Chaussee (später: Königstraße) führte die Fahrtroute weiter über die Parkstraße bis zur Glienicker Brücke. Vor der bei Kriegsende ebenfalls zerstörten Glienicker Brücke standen unterhalb der Großen Neugierde drei Wegweiser – Potsdam, Berlin, Aerodrom – und eine Verkehrsreguliererin der Roten Armee. Sie leitete die Fahrzeuge in Richtung Osten zum Flugplatz Gatow, über Krampnitz und Kladow. Über die Berliner Chaussee nach Wannsee und weiter Zentrum Berlin. Nach Potsdam über die Havel.

Um den Fluss an der Glienicker Brücke queren zu können, hatten die Pioniertruppen der Roten Armee an deren nordöstlicher Seite eine Holzbrücke gebaut, die zur Kreuzung Schwanenallee/Neue Königstraße (später: Berliner Straße) führte. Eine zweite Brücke gab es südwestlich. Sie begann im Park des Jagdschlosses Glienicke und endete an der Neuen Königstraße, westlich des Abzweigs in die Schwanenallee.
Generalleutnant Nikolai A. Antipenko, Stellvertreter des Oberbefehlshabers für Rückwärtige Dienste der 1. Belorussischen Front, berichtet rückblickend, dass von seinen Leuten auf der Fahrstrecke zum Schloss Cecilienhof zwei neue Brücken gebaut und zwei andere repariert wurden.

Auszüge aus Potsdamer Stadtplänen. Links 1930er Jahre, oben 1949.

 

 

 

 

 

 

 

 

Für die vorstehend beschriebene Fahrstrecke gibt es einzelne, bislang bekannte, bildliche Belege – eine Fotografie von der Ersatzbrücke für die Park-Brücke und eine von der Kreuzung Kurfürstenstraße/Am Böttcherberg sowie die Szene aus einem während der Potsdamer Konferenz entstandenen sowjetischen Dokumentarfilm, in dem die Kreuzung vor der Glienicker Brücke und diese querende Fahrzeuge zu sehen sind.

Holzbrücke über den Durchstich zu Klein Glienicke. Quelle: Potsdam-Museum
Posten in Klein Glienicke an der Protokollstrecke zum Schloss Cecilienhof.

 

 

 

 

 

 

Zufahrt zur Glienicker Brücke

Ebenfalls als Beleg kann eine Aussage aus dem offiziellen Protokoll des Aufenthalts von US-Präsident Truman in Neubabelsberg herangezogen werden. Darin heißt es, dass das Präsidentenauto und die ihn begleitenden Fahrzeuge für die Fahrt von seiner Residenz bis zum Schloss Cecilienhof 10 Minuten benötigten.

16.40: Der Präsident verließ im Auto, begleitet von seinem persönlichen Stab, das Little White House nach Cecilienhof, zur Eröffnungssitzung der Konferenz. Der Präsident erreichte Cecilienhof um 16.50 Uhr. Der Premierminister und der Generalissimus waren bereits da, als er eintraf.[1]

Hierbei handelt es sich nicht um eine einmalige Aussage, sondern sie erscheint an fast jedem Tag des Aufenthalts von Truman. Die 10 Minuten scheinen sehr gewagt, benötigt man doch schon von der Karl-Marx-Straße 2 bis zur Glienicker Brücke mit dem Auto ca. acht Minuten. 15 Minuten könnten schon eher hinkommen. Dennoch: Die in einem offiziellen Regierungsdokument stehende Aussage ist eine Tatsache.

Foto von einer Pontonbrücke unweit der Glienicker Brücke. Da sie auch von den westlichen Alliierten genutzt wurde, könnte es der Übergang nach Sacrow – Gatow sein. Völlig auszuschließen ist ebenfalls nicht, dass es ich um eine westlich der Glienicker Brücke gebaute handelt.
Der Titel dieses Fotos lautet “Jagdpanzer IV auf der Glienicker Brücke”. Links ist die östlich von der Brücke errichtete Behelfsbrücke aus Holz zu sehen.
Die Behelfsbrücke (links) im Jahr 1948. Sie stand mindestens bis 1950.

Nach Überquerung der östlichen Behelfsbrücke müsste Trumans Konvoi in die Schwanenallee eingebogen und über die Schwanenbrücke den Neuen Garten gefahren sein. Hier nahm er den Fahrweg vorbei am Grünen Haus, bis zum Schloss Cecilienhof.  Im östlichen Seitenflügel des einstigen Wohnsitzes der Familie des Kronprinzen Wilhelm von Preußen befand sich der Eingang zu den Konferenzräumen der britischen Delegation, im westlichen der für die amerikanische Delegation. Die sowjetische Delegation nutzte den Eingang in das vormalige Musikzimmer auf der Gartenseite des Schlosses. Der Haupteingang von Schloss Cecilienhof, vorbei am extra für die Konferenz angelegten Roten Stern im Innenhof, war offensichtlich den „Großen Drei“ vorbehalten, wenn diese in repräsentativer Form den Tagungsort betraten oder bei sonstigen offiziellen Anlässen.

Es ist davon auszugehen, dass der oben beschriebene Weg durch Neubabelsberg nur für Fahrten der  Staatsoberhäupter genutzt werden durfte. Fuhren sie doch durch eigentlich für sie gesperrte Zonen, zumindest was Truman und Churchill betraf. Im Normalfall mussten die Fahrzeuge der drei Mächte um die für sie gesperrten Zonen herumfahren.

Eine weitere Variante für die Zufahrt von der Glienicker Brücke zum Schloss Cecilienhof brachte der DDR-Historiker Rolf Badstübner im Jahr 1985 in die Öffentlichkeit. Er schrieb:

Das nahegelegene Babelsberg, ein Villenvorort Berlins, bot Unterkunftsmöglichkeiten für die Delegationen. Sie konnten von hier aus Cecilienhof auf der Allee nach Glienicke und über eine Pontonbrücke, die die zerstörte Glienicker Brücke ersetzte, direkt und ohne die schwer zerstörte Potsdamer Innenstadt durchqueren zu müssen, mit dem Auto in etwa zehn Minuten erreichen.[2]

Seiner Feststellung, für die er leider keine Quellenbelege angibt, ist die untere Karte beigefügt. Danach fuhren die Fahrzeuge ab der Glienicker Brücvke durch die heutige Berkiner Straße, die Behlertstraße, und die Straße Am Neuen Garten bis zum Haupteingang des Neuen Gartens. Im Neuen Garten führte der Weg danach durch die Eichenallee vorbei am Holländischen Etablissement und dem Marmorpalais zum Schloss Cecilienhof. Die heute bekannte Asphaltstraße im Neuen Garten, vom Haupttor zum Schloss Cecilienhof, wurde erst nach der Potsdamer Konferenz gebaut.

Badstübners Version entsprechen auch einige Szenen aus Filmen, die während der Potsdamer Konferenbz entstanden.Was die 10 Minuten Fahrzeit anbelangt, so ist diese Angabe sehr mutig. Auch wenn die Fahrzeugkolonne durchgängig freie Fahrt hatte.

Die Strecke vom und zum Flughafen Gatow

Den Weg der britischen und der amerikanischen Delegation nachzuvollziehen, den sie von Neubabelsberg zum Flugplatz in Gatow und zurück nahmen, gestaltet sich noch etwas schwieriger. Da es mehrere Optionen gibt. Aber Ausgangspunkt für die Ermittlung der Fahrtroute könnte die schon erwähnte Sequenz aus dem sowjetischen Dokumentarfilm von 1945 sein, in der die Wegweiser unterhalb der Großen Neugierde zu sehen sind. Das Schild mit der Aufschrift „Aerodrom“ (Flugplatz) zeigt sichtbar in östliche Richtung, auf die entlang der Havel bis zum Krughorn führende Straße. Die Havel in Richtung Sacrow wurde wiederum mittels einer Behelfsbrücke überquert. Der weitere Weg könnte danach über die Kladower Straße – Sakrower Landstraße – Ritterfelddamm – Seekorso – Am Flugplatz Gatow bis zur Einfahrt des Flugplatzes geführt haben. Die Länge dieser Strecke beträgt rund neun Meilen oder 14 Kilometer und lässt sich mit dem Auto bei einer Geschwindigkeit von 50 km/h in rund 20 Minuten bewältigen.

Die Fahrzeugkolonne von Präsident Truman benötigte am Tag seiner Anreise in Gatow – Sonntag, 15 Juli 1945 – für den Weg vom Flugplatz bis zu seiner Residenz in Neubabelsberg 30 Minuten. Die Länge der Strecke wird mit 10 Meilen angegeben. Das könnte für diese Streckenführung sprechen. In der grob gehaltenen Beschreibung des Weges steht jedoch, dass sie einen Abschnitt bzw. Teil von Potsdam passiert hätte. Die von der Roten Armee offiziell besetzte Zone begann in Höhe von Groß Glienicke, das die Delegationsmitglieder zwar nicht sehen konnten, aber durch den Wechsel der entlang der Straße stehenden Posten wahrnahmen. Sacrow könnte von ihnen als „Teil von Potsdam“ angesehen worden sein, da es ja auch in der Sowjetischen Besatzungszone lag.

Um 16.30 verließen der Präsident und Begleitung Gatow zu ihrem Quartier in Babelsberg, ungefähr 10 Meilen entfernt. … Wir fuhren von Gatow nach Babelsberg durch einen Teil Potsdams. Ein Teil der Strecke wurde von amerikanischen und britischen Truppen bewacht, aber der größte von sowjetischen Grenzschutzbeamten mit grüner Kappe, weil dies sowjetisch kontrolliertes Gebiet war. … 17.00: Der Präsident und Begleitung kommen in ihrem Quartier in Babelsberg an.[3]

Der britische Premierminister Winston Churchill traf am 16. Juli 1945, einem Montag, mit dem Flugzeug in Gatow ein. Seine ihn als Adjutantin begleitende jüngste Tochter Mary schreibt über den Weg nach Babelsberg:

Wir fahren sehr zügig auf von schmucken und gut aussehenden russischen Soldaten bewachten Straßen zu unserer Villa.[4]

Der einen Tag vorher eingetroffene britische Generalstabschef Feldmarschall Alan Brooke hält für die Zeit nach seinem offiziellen Empfang auf dem Flugplatz Gatow fest:

Danach eine Fahrt von ca. 20 Minuten zu unseren Unterkünften in Babelsberg.[5]

Es gibt Filmaufnahmen von der Anreise nach Potsdam. Dabei handelt es sich aber um die von Stalin. Er kam jedoch nicht mit dem Flugzeug, sondern mit dem Zug. Vom Potsdamer Bahnhof in Berlin fuhr er dann mit seiner Begleitung nach Neubabelsberg und musste, so ist es den Aufnahmen zu entnehmen, westlich um die für die amerikanische und britische Delegation eingerichtete Zone herum fahren. Es hat den Anschein, als ob er von der Autobahn kommend über die Großbeerenstraße bis zur Filmakademiestraße (später: August-Bebel-Straße) fuhr. Weiter zur Berliner Straße (heute: Rudolf-Breitscheid-Straße), bis die Kolonne dann nach rechts in die Fontanestraße einbog und über die Heimdalstraße (später: Hermann-Maaß-Straße) sowie die Waldemarstraße (später: Behringstraße) zu seiner Residenz in der Kaiserstraße fuhr.

Wie bereits eingangs festgestellt, handelt es sich bei den vorstehenden Beschreibungen um Möglichkeiten. Die weitere Auswertung von Memoiren und Bildmaterial wird zeigen, ob sie Bestand haben oder korrigiert werden müssen.
Das gilt auch für die Antwort auf die Frage: Wo begann die westlich der Glienicker Brücke gebaute Behelfsbrücke und wo endete sie genau auf der Potsdamer Seite der Havel?

Im Jagdschloss Glienicke befand sich zur Zeit der Potsdamer Konferenz eine Sondereinheit der Roten Armee, möglicherweise des Innenministeriums und oder der Grenztruppen. Die damalige Kurfürstenstraße (heute: Waldmüllerstraße) führte auf das Haupttor des Schlossgeländes. Östlich am Schloss vorbei führte ein Weg in den Park, der auch durch größere Fahrzeuge genutzt worden sein kann, in Richtung Havelufer. Am Ufer gibt es zwei gemauerte Plattformen, von denen sich die in Richtung Glienicker Brücke nördlicher gelegene als Ausgangspunkt für den Bau einer Brücke eignen würde. Ob sie dazu auch diente, kann nur eine Auswertung von Bauunterlagen und anderen Dokumenten zur Geschichte des Jagdschlosses Glienicke ergeben.

Anmerkungen

[1]Log of the Presidents`s Trip tot he Conference“. In: Foreign Relations of the United States: Diplomatic Papers, The Conference of Berlin (The Potsdam Conference), 1945, Volume II, Washington, D.C.: U.S. Government Printing Office, 1960, Dok. Nr. 710, S. 12.
Im Original heißt es:
1640: The President, accompanied by his personal staff, left the Little White House by motocar for Cecilienhof fort he opening session of the conference. The President arrived at Cecilienhof at 1650. The Prime Minister and the Generalissimo were there when he arrived.
Zu den gebauten Brücken vgl. Antipenko, N. A.: In der Hauptrichtung, Berlin 1982, S. 281.

[2] Badstübner, Rolf: Code “Terminal”. Die Potsdamer Konferenz (Illustrierte Historische Hefte, Nr. 36), Berlin 1985, S. 2 f.
Diese Version wurde 1995, aber auch ohne Belege dafür anzuführen, von Frank Bauer und Tony Le Tissier übernommen. (Frank Bauer / Tony Le Tissier: Die Konferenz im Schloß Cecilienhof. In:  Schloß Cecilienhof und die Potsdamer Konferenz 1945. Von der Hohenzollernwohnung zur Gedenkstätte, Berlin-Kleinmachnow-Potsdam 1995, S. 108.)

[3] Ebenda, S. 8f.
Im Original lautet der Text:
At 1630 the President and party departed Gatow for his quarters in Babelsberg, approximately 10 miles distant. … We passed through a section of Potsdam enroute from Gatow to Babelsberg. Part of the route was guarded by American and British troops, but the greater part of the route was patrolled by green-capped Soviet frontier guardsmen as this was a Soviet-controlled area. … 1700: The President and party arrived at his assigned quarters in Babelsberg.“

[4] Soames, Mary, A daughter`s tale: the Memoir of Winston Churchill´s youngest child, New York 2011, S. 318.
Original:
We speed of to our villa along roads posted with smart and beautiful  looking Russian soldiers.

[5] Brooke, Alan: War Diaries 1939-1945. Edited by Alex Danchev and Daniel Todman, Berkeley 2003, S. 705.
Original: „After that a drive of some 20 minutes to our dwellings at Babelsberg!

© Dr. Volker Punzel, GeschichtsManufaktur Potsdam (24.02.2020)

Von admin

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