Immer wieder wird der Versuch unternommen, Potsdam zu einer preußischen Stadt zu deklarieren. Dabei war die heutige Hauptstadt des Landes Brandenburg einst genau so wenig eine preußische Stadt wie Köln, Erfurt, Dortmund oder Berlin. Potsdam war und ist eine Stadt in Brandenburg. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Die Geschichtsschreibung über Potsdam folgt einer Vorgabe aus der Regierungszeit von Friedrich Wilhelm IV. König von Preußen. Danach begann die eigentliche Entwicklung Potsdams  erst mit dem Jahr 1660, als Friedrich Wilhelm Kurfürst von Brandenburg sich entschloss, das am südwestlichen Rand der Insel stehende Renaissance-Schloss umzubauen und um dieses herum, auf der Kurfürstlichen Freiheit, einige dazu passende Gebäude errichten zu lassen. Aus dieser Zeit ist nur noch die Rückwand des einstigen Marstalls und heutigen Filmmuseums erhalten. Sowie die einen offiziellen Status tragende Aussage, dass Potsdam damit zur Residenzstadt wurde. Eine von damals dreien der Kurfürsten Brandenburgs, und von diesen noch nicht einmal die bedeutendste. Zudem als Stadtgebilde nicht so bedeutend wie die märkischen Städte Brandenburg, Perleberg, Pritzwalk, Wittstock, Templin oder Bernau. Diese hatten schon seit dem Mittelalter, weil es etwas zu schützen gab, Stadtmauern.

1660 war Potsdam eine Stadt in Brandenburg. Preußen spielte zu diesem Zeitpunkt keine Rolle. Und das spielte auch keine Rolle, als sich Kurfürst Friedrich III. im Jahr 1701 in Königsberg mit Kaisers Gnaden zum König in Preußen (eigentlich in Ostpreußen) krönen durfte. Eigentlich eine Komödie. Aber im Nachgang zu einem Ereignis von nationaler und internationaler Bedeutung hochstilisiert. Dass das an dieses Ereignis erinnernde Schlosstor in dem verschlafenen Potsdam errichtet wurde und nicht an dem seit den 1690er Jahren im Umbau befindlichen Berliner Stadtschloss spricht für sich.

Auch wenn sich die Kurfürsten von Brandenburg ab 1701 Könige in Preußen nennen durften und ab 1772 dann Könige von Preußen, spielte das für Potsdam keine Rolle. Es blieb eine in der Mittelmark Brandenburgs gelegene Stadt. Ab 1713 außer Residenz- noch Garnisonstadt. Daran änderte sich auch nichts im gesamten 18. Jahrhundert und ebenfalls nicht im 19. Jahrhundert. In der letzten, 1888 veröffentlichten soliden Arbeit zur Geschichte Potsdams – „Potsdam und Sans-Souci. Forschungen und Quellen zur Geschichte von Burg, Stadt und Park“ – charakterisiert es deren Verfasser Georg Sello nicht ein einziges Mal als eine preußische Stadt. Dieses Attribut ist lediglich auf einer der insgesamt 471 Seiten zu finden. Und da nur in der Formulierung „Preußens Könige„.

Die Autoren der „Geschichte der Stadt Potsdam„, erschienen 1912, verwenden ebenfalls auf keiner Seite „preußisch“ als Charakterisierung für die Stadt. Sie schreiben von der Residenz-, der Garnison- und der Beamtenstadt der Kurfürsten von Brandenburg und der Könige von Preußen. Wie auch Martin Hürlimann und Paul Ortwin Rave 20 Jahre später in „Die Residenzstadt Potsdam. Berichte und Bilder“.

Wann wurde denn nun aus dem brandenburgischen Potsdam das preußische?
Vermutlich wissen das auch jene nicht, die in Verbindung mit Potsdam das Wort „preußisch“ verwenden. Mal zur Herabsetzung seiner Bedeutung, mal zur Erhöhung derselben. Die Nationalsozialisten gebrauchten vermutlich als erste „preußisch“ in Verbindung mit Potsdam. Belege dafür müssen aber noch gefunden werden. Für die siegreichen Alliierten war 1947 klar, als sie den Staat Preußen (Hätte es nicht Freistaat Preußen heißen müssen, 1918 entstanden und ab 1932 de facto nicht mehr existent?) auflösten, dass Potsdam eine preußische Stadt war. Aber davon gab es in dem ehemaligen Freistaat noch viel mehr.
Potsdam musste nach 1945 für alles büßen, was Preußen vorgeworfen wurde. In die Kette der Verunglimpfer Potsdams reihten sich viele ein, die einst unter preußischer Herrschaft gelebt und von dieser wirtschaftlich sowie sozial profitiert hatten. Potsdam hatte von der erfolgreichen  wirtschaftlichen Entwicklung der einstigen preußischen Gebiete kaum profitiert. Hätte es nicht zu Preußen gehört, sondern lediglich zur Mark Brandenburg, hätte es vermutlich auch nicht anders ausgesehen.

Die politisch Verantwortlichen der DDR griffen dankbar alles auf, was zur einseitigen Charakterisierung Potsdams als „preußisch“ in Umlauf gebracht worden war und wurde. Für sie war Potsdam das „Symbol für den friedensgefährdenden preußisch-deutschen Militarismus, für nationalistischen Herrschaftsdünkel, preußischen Drill und Untertanengeist“. Auf Berlin wurde diese Charakterisierung nicht angewandt. Dabei war es einst die Hauptresidenz der Könige in bzw. von Preußen und ab 1871 die Hauptstadt des Deutschen Reiches. Dem das deutsche Volk unter den deutschen Königen (sic!) und später den Nationalsozialisten zwei das Land verheerende Weltkriege zu verdanken hatte. Und von München nahm die „Bewegung“ ihren Anfang, deren Politik Deutschland, Europa und die Welt einen solchen Schaden zufügte, dass jede Generation der deutschen Bevölkerung bis heute und auch noch in naher Zukunft darunter zu leiden hat und sich für die in dieser Zeit begangenen Verbrechen schuldig fühlen wird.

Gesteigert wurde alles noch durch das Ausnutzen des irischen Dramatikers George Bernard Shaw. Dieser habe in der Zeit des 1. Weltkrieges geäußert, so wird seit etlichen Jahren verkündet: „Es gibt Städte, die verdienen ausgelöscht zu werden. Eine davon ist Potsdam.“ Hier wird dem Sozialisten und Demokraten Shaw wohl etwas untergeschoben. In mehreren von ihm während des ersten Weltkrieges geschriebenen Texten, verwendet er den Begriff „Potsdam„. Doch meint er damit nicht die Stadt, sondern verwendet ihren Namen als Synonym für den deutschen Militarismus insgesamt, und dazu zählten auch Bayern, Sachsen, Westfalen – alle Teile des Deutschen Reiches. „…we must have drawn the sword to save France and smash Potsdam as we smashed and always must smash Philip, Louis, Napoleon, et hoc genus omne“ schreibt Shaw in einem der Beiträge. Übersetzt: Wir müssen das Schwert erheben, um Frankreich zu schützen und Potsdam zu zerschmettern, so wie wir zerschmettert haben und zerschmettern mussten Philip, Louis, Napoleon, und alle anderen dieser Sorte.
Als Rechtfertigung dafür, dass Potsdam am 14. April 1945 durch von britischen Flugzeugen abgeworfene Bomben seine bedeutendsten historischen Bauwerke verlor, ist diese Aussage nicht geeignet.
Aber Fake News gab es schon immer. und nicht erst in unseren Tagen!

Von admin

Schreibe einen Kommentar