Der „genius loci“, der Geist des Ortes ist es, woran sich die Gemüter der in der Stadt Potsdam lebenden Menschen und der außerhalb von ihr wohnenden scheiden. Dabei ist vieles, was mit dem Namen Potsdam verbunden wird, mehr oder weniger zufällig geschehen bzw. mehr oder weniger gewollt (bewusst oder unbewusst). Um die Stadt in ihrer Bedeutung herab zu setzen oder sie in derselben zu erhöhen. Aus Potsdam ist im Verlauf der Jahrhunderte seiner Entwicklung etwas gemacht worden, das dazu führte, dass die Stadt in erster Linie im Kontext mit dem brandenburgischen Herrscherhaus genannt wird, mit den Namen von Kurfürsten, Königen und Kaisern, mit ihren hier entwickelten Aktivitäten, mit den in ihrem Auftrag errichteten Bauten und mit Handlungen, die sich auf die nationale und internationale Politik auswirkten.

1660                      Kurfürst Friedrich Wilhelm macht Potsdam zur Residenzstadt

1685                      Das Edikt von Potsdam (Teil der Großmachtpolitik des Kurfürsten Friedrich Wilhelm)

1701                      Bau des Fortunaportals (Erhebung des Kurfürsten zum König in Preußen (richtig wäre
gewesen: in Ostpreußen), ab 1772 von Preußen infolge der ersten Teilung Polens)

1713                      König Friedrich Wilhelm I. macht Potsdam zusätzlich zur Garnisonstadt

ab 1740                König Friedrich II. verschönert die von seinem Vater hinterlassene Fachwerkstadt:
                           „Friderizianische Potsdamer Fassadenarchitektur“ und “Friderizianisches Rokoko

1763                     Fertigstellung des Baus des Neuen Palais (Ende der Schlesischen Kriege)

1826                     Bau der Russischen Kolonie Alexandrowka ( Bezug auf Napoleonische Kriege)

ab 1840                König Friedrich Wilhelm IV. setzt die von Friedrich II. begonnene Verschönerung
Potsdams fort, außerhalb der historischen Innenstadt.

22. September 1862 – Gespräch zwischen König Wilhelm I. und Bismarck im Schloss Babelsberg, das
mit der Ernennung Bismarcks zum Ministerpräsidenten und Außenminister
endete. (Weg hin zur Entstehung des neuen Deutschen Reiches, 1871)
König Wilhelm selbst, der nicht zu Unrecht fürchtete, dass der neue Titel die
preußische Königswürde überdecken werde, blieb lange ablehnend bezüglich der Übernahme der Kaiserwürde. Wenn überhaupt verlangte er den Titel eines Kaisers von Deutschland. Die verbündeten Monarchen lehnten diese Titulatur allerdings ab, weil sie als ein weiterreichender Herrschaftsanspruch gedeutet werden konnte. Nur auf massiven Druck von Bismarck akzeptierte Wilhelm schließlich den Titel eines Deutschen Kaisers.
Die Residenz- und Garnisonstadt Potsdam profitierte dergestalt von der Reichsgründung, dass sich vor und hinter ihren Mauern nunmehr nicht nur der König von Preußen aufhielt, sondern auch der Deutsche Kaiser. Von dem nach 1871 in ganz Deutschland einsetzenden und gezielt geförderten Kult um Kaiser Wilhelm I. profitierte die Stadt in punkto baulicher, sozialer und kultureller Veränderung sowie wirtschaftlich. Die Zahl der Hoflieferanten für den kaiserlichen Hof nahm sprunghaft zu. Selbst fast ein dreiviertel Jahrhundert nach der Abdankung von Wilhelm II. erinnerten sich noch, nunmehr hoch betagte, Einwohner Potsdams an den Einfluss, den die drei Kaiser und ihre Familien in der Stadt ausübten.

31. Juli 1914 Unterzeichnung der Kriegserklärung durch Kaiser Wilhelm II. im Neuen Palais.
Der irische Dramatiker George Bernard Shaw, soll während des Ersten Weltkrieges geäußert haben: „Es gibt Städte, die verdienen ausgelöscht zu werden. Eine davon ist Potsdam.“
Das ist in dieser Form nicht belegbar. Dagegen jedoch folgende Aussage von ihm:
…we must have drawn the sword to save France and smash Potsdam as we smashed and always must smash Philip, Louis, Napoleon, et hoc genus omne.
Wir müssen das Schwert erheben, um Frankreich zu schützen und um Potsdam zu zerschmettern, so wie wir zerschmettert haben und zerschmettern mussten Philip, Louis, Napoleon, und alle anderen dieser Sorte.
(Philipp II., König von Spanien – Englisch-Spanischer Krieg 1585-1604), (Ludwig XV., König von Frankreich, Siebenjähriger Krieg in Nordamerika 1754-1763)

21. März 1933 Tag von Potsdam

20. Juli 1944 Attentat auf Hitler

17. Juli/2. August 1945 Potsdamer Konferenz
Ursprüngliche Planungen sahen Berlin als Tagungsort vor, aber wegen der dortigen schweren Kriegsschäden wurden die Sitzungen in das unversehrte Potsdamer Schloss Cecilienhof verlegt.

25. Februar 1947 Gesetz Nr. 46 des Alliierten Kontrollrats über Auflösung des Staates Preußen
„Der Staat Preußen ist seit jeher Träger des Militarismus und der Reaktion
in Deutschland gewesen…

13. August 1961 Bau der Mauer, Veränderung des Charakters der Glienicker Brücke. Agentenaustausch

09. November 1989 Fall der Mauer.

Die vorstehend aufgeführten historischen Ereignisse hatten Auswirkungen, jedes für sich, auf die Innen- und Außenwahrnehmung von Potsdam. Sie beeinflussten das Verhältnis von Menschen, Völkern und Staaten zu dieser Stadt. Sie erreichten, dass die Stadt als Stadt in den Hintergrund trat, die in ihr lebenden und arbeitenden Menschen nicht als normale Einwohner in einer ganz normalen Kleinstadt wahrgenommen wurden.

Das hatte wiederum zur Folge, dass wir Angst davor haben, auf irgendetwas reduziert zu werden:

Potsdam ist mehr als Sanssouci.

Potsdam ist kein Stadtteil von Berlin.

Brandenburg ist nicht Preußen.

Preußen war nicht nur Brandenburg.

Und auch:

Das preußische Erbe in Brandenburg ist mehr als Sanssouci in Potsdam

Was hat Potsdam mit Preußen zu tun? Warum wird gerade Potsdam immer wieder im Kontext mit Preußen genannt? Warum nicht auch Berlin, Essen, Köln und sogar Dortmund?

Die lateinische Bezeichnung für Preußen (Borussia) ist im Rhein-Ruhr-Gebiet mehr verbreitet als in unserer Region.
Als Stadt in Westfalen im Königreich Preußen gelegen, begann in der Mitte des 19. Jahrhunderts durch die Kohlenförderung und Stahlverarbeitung der wirtschaftliche Aufstieg Dortmunds und der Wandel zu einer Industriestadt. Seit der Eröffnung der Cöln-Mindener Eisenbahn im Jahr 1847 wurde Dortmund zu einem wichtigen Verkehrsknoten im Ruhrgebiet. Einen weiteren bedeutenden Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung leistete 1899 die Eröffnung des Dortmund-Ems-Kanals und damit des Hafens.

Der Begriff „Brandenburg“ ist älter als der Begriff „Preußen“.

Das Jahr 1157, das Jahr der endgültigen Rückeroberung der Brandenburg durch den Aksanier Albrecht der Bär, gilt als das Gründungsjahr der Mark Brandenburg.

Der Begriff „Preußen“ spielt für Brandenburg erst ab dem Jahr 1701 eine Rolle.

Von 1701 bis 1946 teilte die Mark Brandenburg die politische Geschichte des preußischen Gesamtstaats.

Die Mark Brandenburg war in dieser gesamten Zeit aber eben vor allem die Mark Brandenburg. Auf diese Betonung wurde auch geachtet, als im Jahr 2003 das Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte eröffnet wurde.

Preußen ist vor allem mit der Geschichte des Herrschergeschlechts der Hohenzollern verbunden.

Brandenburg – das ist eine Geschichte unter den Geschlechtern der Askanier, der Wittelsbacher, der Luxemburger und der Hohenzollern sowie ab 1918 der Brandenburger, zu denen auch die Berliner gehören.

Von 1415 bis 1918 stand die Region unter der Herrschaft der Hohenzollern. Ab 1701 entwickelte sich die Mark zum Kernland Preußens. Bis der Staat Preußen 1947 durch den Alliierten Kontrollrat aufgelöst wurde.

Die Bezeichnung Brandenburg-Preußen für die weit auseinander gelegenen hohenzollernschen Herrschaftsgebiete ist nicht zeitgenössisch, sondern hat sich in der Geschichtswissenschaft eingebürgert, um die Übergangszeit von 1618 bis zur Gründung des Königreichs Preußen im Jahre 1701 zu bezeichnen und zugleich die Kontinuität zwischen dem Kurfürstentum Brandenburg und dem Königreich Preußen zu betonen.

Preußen (lateinisch Borussia) war ein seit dem Spätmittelalter bestehendes Land an der Ostsee, zwischen Pommern, Polen und Litauen, dessen Name nach 1701 auf ein weit größeres, aus dem Kurfürstentum Brandenburg hervorgegangenes Staatswesen angewandt wurde, das schließlich fast ganz Deutschland nördlich der Mainlinie einschloss und bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges bestand.

Was hätte es in Brandenburg nicht gegeben, wenn es selbstständig geblieben wäre und nicht Teil des Königreiches Preußen?

Wie hätte Potsdam ausgesehen, wenn es lediglich eine Residenzstadt in der Mark Brandenburg gewesen wäre und nicht eine Stadt in Preußen?

Mit der Eröffnung der Dauerausstellung zur Geschichte des Landes Brandenburg im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte Ende 2003 wurde der erste Schritt dazu getan, den Fokus auf das Land Brandenburg zu verändern. Dazu gehörte auch, dass Brandenburg vor Preußen genannt wird.

 

© Dr. Volker Punzel, GeschichtsManufaktur Potsdam (03.12.2020)

Von admin

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